Mein Energie-Pegel ist nach einem 18 stündigen Tag an seinem Tiefpunkt angekommen. Mein Körper schreit nach Ruhe und Schlaf. Meine innere Stimme, getrieben von Motivation und Disziplin, sagt das Gegenteil: Da geht noch mehr. Aber geht wirklich noch mehr?
Mein Wecker läutet um kurz vor sieben. Wenige Minuten später reißt mich mein „Jetzt musst du aufstehen“-Alarm aus dem letzten Versuch weiterzuschlafen. Der Optimismus, dass mir morgens ein Kaffee in aller Stille vergönnt sei, verfliegt wie sonst auch noch bevor ich die Kaffeemaschine in Betrieb setze: „Maaaaaaaaaaami, bin wach.“ Die Morgenroutine und damit die tägliche Zweisamkeit beginnt von Neuem: Mami hier, Mami da, Mami dort – gepaart mit typischen Machtkämpfen und Liebesattacken. Pharo versucht unbemerkt zu bleiben, träumt tiefenentspannt weiter und springt erst zur Wohnungstür, sobald ich mein Parfum aufgetragen habe.
Gegen halb neun bringe ich Emilian in den Kindergarten, hole mir anschließend einen Kaffee To-Go und mache mit Pharo einen kleinen Spaziergang, den ich für die ersten Telefonate und den ersten Check meiner Emails nütze. Die nächsten Stunden vergehen wie im Flug: PR-Konzepte fertigen, Firlefanz (Floh)Markt Vorbereitungen treffen, Online-Bestellungen abwickeln, Foto-Shootings realisieren, Interviews geben, Pop-Ups organisieren, Kundenanfragen beantworten, Social Media Kanäle füttern, administrative Erledigungen machen, Drucksorten abstimmen, Kooperationen besprechen, Imports vorbereiten und Termine abhalten. Wenn ich ehrlich sein soll: Die Liste würde ewig so weitergehen.
Ich glaube, dass es als Außenstehender sehr schwer nachzuvollziehen ist, wie viel Arbeit hinter all meinen Projekten steckt. Ich kann mich noch erinnern, als ich vor zehn Jahren mein erstes Praktikum im Bereich Public Relations im Luxussegment gemacht habe. Ich glaubte an eine glamouröse Glitzer-Welt. Dieser Vorstellung hielt genau zwei Tage. Die Realität sah eher ernüchternd aus: „Der Teufel trägt Prada.“ Ein taffes Berufsfeld, das viel Durchhaltevermögen erfordert. Doch siehe da: Ein Jahrzehnt später bin ich noch immer in der Kommunikations- und Fashion-Branche zu Hause und habe sie mit einem Blog, einer Veranstaltungsreihe und einer Modelinie sogar vertieft.
Mein Anspruch an mich selbst, meine Arbeit und das Mami-Dasein sind sehr hoch. Es ist also vielleicht nachvollziehbar, wenn ich euch sage, dass hier und da mein schlechtes Gewissen an mir nagt, weil ich für Emilian nicht rund um die Uhr eine Super-Mami sein kann. Ich versuche zwar Emilian spätestens um 15 Uhr vom Kindergarten abzuholen, damit wir den Nachmittag wenigstens gemeinsam verbringen können. Die Realität schaut aber so aus, dass Emilian mich sehr oft zu Terminen begleitet, wir gemeinsam Sachen erledigen oder nebeneinander am Schreibtisch arbeiten – er mit seinem Winnie The Poo Laptop, der fürchterlich laut das ABC vorspielt. Nur gezielt kann ich mir unter der Woche den Luxus herausnehmen am Kinderspielplatz Sandburgen zubauen. Die kleine Fahrradtour mit Pharo ist dafür unser tägliches Ritual und die ausgewählten Play Dates mit den Liebsten unser Highlight.
Wenn wir nach Hause kommen, mache ich mich üblicherweise ans Abendessen. Junior spielt währenddessen mit seiner Brio Eisenbahn. Manchmal hilft er mir auch fleißig beim Kartoffelpüree stampfen. Parallel bestätige ich noch ein paar Termine, werfe die Waschmaschine an und lasse die Badewanne ein. Ruhe kehrt erst ein, wenn Emilian zu Bett geht und wir gemeinsam noch eine Gutenachtgeschichte gelesen haben. Gegen 21 Uhr geht das Licht aus. Der Kampf, nicht selbst einzuschlafen, beginnt. „Reiss dich zusammen! Du hast keine Zeit für Schlaf! Steht auf!“ sagt dann meine innere Stimme und so schleiche ich mich aus Emilians Zimmer wieder Richtung Arbeitsplatz.
Manchmal verliere ich mich dann noch in der Hausarbeit (leider erledigt sich diese auch nicht von alleine) und telefoniere für ein paar Minuten mit einer vertrauten Person. Zweites aber auch eher sporadisch, weil ich nach so einem Tag schlichtweg ermattet bin. Und dann werde ich erneut verlangt: Pharo, der auf seine Abendrunde beharrt.
Wenn Hund und Kind versorgt sind, mache ich mich also erneut an die Arbeit. Ich treffe Vorbereitungen für den nächsten Tag, überarbeite Konzepte, beantworte Emails, briefe Letue, mache Brain Stormings, recherchiere, erledige bürokratischen Irrsinn und schreibe an einem neuen Beitrag für den Blog.
Wenn ich dann irgendwann gegen 3 Uhr morgens ins Bett falle, soll mir noch eine Folge meiner Lieblingsserie vergönnt sein. Qausi ein bisschen Me-Time. Doch dazu kommt es eigentlich nie, weil ich bereits beim Vorspann einschlafe.
Auf keinen Fall jammere ich. Ich bin auch keineswegs arm. Nur ein klein wenig müde.
Ich bin glücklich.
4 Comments
[…] Emilian und ich gehen nicht wöchentlich zum pädagogisch wertvollen Eltern-Kind-Kurs. Mein Dreijähriger ist auch nicht im Besitz der handgemachten super-mega-hyper-coolen Mouk-Figuren aus Bio-Baumwolle von Anne-Claire Petit. Auf sein Hochbett wartet er noch immer, wollte es eigentlich das Christkind bringen. Bei seiner letzten Geburtstagsparty gab es für die anderen Kinder keine Goodie Bags. Berufsbedingt schaffe ich es nicht immer rechtzeitig, um 15 Uhr im Kindergarten aufzuschlagen. Das frisch gemachte Superfood steht ebenfalls nicht täglich auf dem Tisch. Wie das Amen im Gebet vergesse ich sein Sportgewand, wenn Turnen auf dem Stundenplan steht. Und wenn ich mal meinen Hangover pflege, danke ich Netflix für die zahlreichen Kinder-Serien. Lasst es mich so sagen: Ich bin keine Super-Mami. […]
Toller Beitrag. Habe allergrößten Respekt vor Alleinerziehenden Müttern/Vätern – und wenn man dann noch zusätzlich Selbstständig ist, braucht man echt jede Menge Disziplin & gute Nerven um alles unter einen Hut zu bekommen. Die letzten Beiden Sätze gefallen mir am Besten 🙂
Danke für die Einblicke & weiter so!
Das freut mich riesig zu lesen. Den Respekt gebührt aber nicht nur alleinerziehenden Mütter und Väter, Eltern leisten einen wahnsinns Job – alle auf ihre Art 🙂
[…] sind (…), noch immer weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen (…), 93 % aller alleinerziehenden Haushalte von Frauen geführt werden, die in vielen Fällen armutsgefährdet sind (…) und weil es laut Experten noch […]