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RETTEN ODER NICHT RETTEN?

Katzenbaby_Ein Tag Alt_Bali

Es ist mein erster richtig freier Tag, seitdem ich erneut mein Unwesen auf Bali treibe. Heute darf die Arbeit mal hinten anstehen. Außerdem ist meine Freundin Sinta gestern Nacht gelandet. Wir freuen uns auf einen Tag am Strand: Beach Club. Sonne. Cocktails. Girls Talk.

Um neun Uhr morgens werde ich von einem Anruf aus dem Schlaf gerissen. Es ist Samstag. Auf Bali ein ganz normaler Arbeitstag. Meine Agentin zitiert mich nach Seminyak um die Änderungen des Prototyps unter die Lupe zu nehmen. Mir ist bewusst, dass ich diesen Termin nicht auf Montag verschieben kann. Die Zeit bis zu meinem Abflug ist knapp. Jeder Tag ist kostbar. Wir einigen uns auf einen Nachmittagstermin. So kann ich wenigstens mit einem entspannten Frühstück und einem Sprung ins Meer in den Tag starten.

Ich schiebe die Vorhänge meiner Schlafzimmerfenster zur Seite. Es ist ein Prachttag. Ich spüre, wie es mich innerlich wurmt, dass ich erneut den Tag mit Fahrerei, Begutachtung und Diskussionen verbringen muss. Körper und Seele haben eine Auszeit dringend nötig. Ich mache die Terrassentüre auf und trete hinaus, gehe an dem Schwimmbad vorbei und bleibe bei den Treppenstufen stehen. Mein Blick schweift über den Garten. In der Wiese liegt die kleine Katze. Wir kennen uns, denn sie kam mich schon im Frühjahr immer wieder besuchen. Für einen kurzen Moment wundere ich mich aber, warum sie dort im Grünen und nicht wie sonst auf der Matte vor dem Treppenaufgang liegt. Meine Gedanken reißen aber wieder ab als mir Sinta einen guten Morgen wünscht.

Wir sitzen auf der Couch und machen einen Schlachtplan für den heutigen Tag. Wir beschließen zum Finns Beach Club zu fahren. Unsere sieben Sachen sind gepackt. Wir schnappen uns noch eine Flasche Wasser und sind bereit, ins Wochenende zu starten. „Das glaube ich jetzt nicht,“ ertönt die entsetze Stimme von Sinta, die bei den Treppen steht und in den Garten blickt. Die Katze hatte ich schon wieder ganz vergessen. Ich denke an eine überdimensionale Spinne. Schlange. Katamaran.

Sie lässt ihr Hab und Gut fallen und lauft die Treppen hinunter. In unserem Garten liegen zwei frisch geschlüpfte Katzenbabys. Beide tragen noch die Plazenta. Mit der Situation leicht überfordert, entscheiden wir uns schnell einen Kaffee zu holen. Vielleicht ist die Katzen-Mami ja nur ganz kurz verschwunden. Wir schieben unsere Mopeds Richtung Straße und vor uns liegt ein drittes Baby. Alleine. Mit Blut überseht.

Wir recherchieren was zu tun ist und entscheiden, die Katzen nebeneinander in den Schatten zu legen. Die Mutter wird bestimmt gleich auftauchen. Keine Panik schieben. Wir holen uns einen Kaffee und kehren wieder zurück. An der Situation hat sich nichts geändert. Von der Mutter keine Spur. Irgendwann kühlen die kleinen Kätzchen ab. Wir müssen handeln und telefonieren mit Experten und gemeinnützigen Organisationen dieser Insel.

In der naheliegenden Tierklinik angekommen, werden wir wie zwei süße Touristen behandelt, die doch eh von nichts eine Ahnung haben und auf Bali zum Feiern sind. Wir werden nicht ernst genommen. Uns wird mehrfach erklärt, dass die Katzenbabys keine Überlebenschance haben. Wir übernehmen die Kosten für die Erstbehandlung, nehmen Fläschchen und Milchpräparate mit. Parallel erfahren wir, dass derzeit die Villa Kitty, eine Aufnahmestation für Katzen, wegen eines Virus keine Vierbeiner aufnimmt. Die Katzenbabys sollen wir einschläfern lassen.

Zu Hause bauen wir ihnen ein kleines Nest und halten Sie mit Wärmflaschen auf Körpertemperatur. Stündlich werden sie gefüttert, erhalten eine Bauchmassage und Körpernähe. Meine Haut juckt. Ich ignoriere meine Anzeichen einer Allergie.

Auf Facebook machen wir einen Aufruf, wer uns mit den Katzen helfen kann bzw. eine stillende Katzen-Mutter hat. Wir erhalten aber nur weise Sprüche und viele Tipps, wie man sie großzieht. Der Fakt, dass wir nicht auf Bali leben und die Katzen nicht behalten können, scheint nicht wirklich irgendjemanden zu interessieren: „Lasst die Natur entscheiden“

Die Sonne ist untergegangen. Mein Termin in Seminyak war ein Alptraum. Bali-Style. Nichts wurde umgesetzt von dem was besprochen wurde. Eine Hiobsbotschaft folgte der anderen. Angestrengt und genervt eile ich wieder Richtung Canggu. Meine Freundin hat währenddessen die drei Katzenbabys versorgt. Die Mami der kleinen Tigerkatzen ist nicht aufgetaucht. Schnell wird klar, dass wir auch auf unser Samstagabendprogramm verzichten und die Nacht auf die Kleinsten schauen werden. Auf Bali kommt eben doch immer alles anders als gedacht…

Der kleinste und schwächste Kater hat die Nacht nicht überlebt. Wir sind etwas ratlos, denn auch uns ist klar, dass die Überlebenschance für die Anderen ohne „Leihmutter“ gering ist.

Ich öffne erneut meinen FB-Messanger in der Hoffnung, dass sich jetzt jemand bei uns gemeldet hat. Und ich traue meinen Augen kaum: Die erste Nachricht ist von einer Australierin. Sie hat Erfahrung mit der Aufzucht kleiner Katzenbabys, lebt auf Bali und kann die Heimatlosen zu sich nehmen. Die zweite Nachricht stammt von einer jungen Frau, die eine Leihmutter hat.

Eine Stunde später schauen wir der herzlichen Australierin nach, die mit den zwei Katzenbabys unsere Villa verlässt. Wir sind wehmütig und wissen nicht so recht, was wir so plötzlich ohne die kleinen Racker und der gewonnenen Zeit anfangen sollen.

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