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Sunday Thought: Wo ist der Flâneur geblieben?

Wir rennen, rasen, hasten. Wir sind powergeladen, lassen uns nichts entgehen und sind immer dabei. Wir brauchen Tempo … und (fast) keinen Schlaf. Oder?

Da kommt mir dieses Buch in die Quere. Der Verfasser: Hermann Hesse. Der Titel: “Die Kunst des Müssiggangs”. Ja, halt mal: Soll das heißen, dass wir auch (in der heutigen Zeit) ganz anders leben könnten? Nicht rennen, rasen, hasten? Nicht auf der ewigen Jagd nach Abwechslung und Vergnügen? Wir sollen die Zeit TOTSCHLAGEN???

Seltsam und doch sehr spannend. Wir sollen Zeit HABEN. Wir sollen sie uns nehmen. Wir sollen innehalten. Aber warum? Und überhaupt: Wie funktioniert das?

Da gab es früher einmal – lange ist es her! – sogenannt idyllische Zeiten. Das waren die Zeiten, als die Menschen Zeit hatten. Man lese nur einmal Adalbert Stifters “Nachsommer”. Da ist die Zeit quasi stehengeblieben. Mensch (und Natur) befinden sich in einer Art ruhenden Zustands. Unvorstellbar! Wie haben die das ausgehalten?

Es ist doch interessant, wie gewisse Wörter aus unserer Welt verschwunden sind. Zum Beispiel die “Beschaulichkeit”. Wann stellen wir uns einfach einmal hin und “be-schauen”? Genießen das in sich Ruhende? Wo ist der “Flaneur” geblieben, der Mensch, der schauend und betrachtend, ohne jede Hast, durch die Städte spaziert? Wie oft sind wir “gestresst” … und wie selten reden wir von “Muße”?

Brauchen wir das alles nicht mehr? Genügt es uns, im Hamsterrad zu drehen? Laufen wir nicht Gefahr, uns selbst zu verlieren?

Die “Muße” geht zurück auf Zeiten, als es die Freizeitgesellschaft noch nicht gab. Genau die ist es aber, die uns heute die Zeit stiehlt. Wir haben noch nie weniger gearbeitet als heute. Gleichzeitig haben wir wahrscheinlich noch nie so viel aktiv genutzte Zeit verbracht … und deshalb so wenig Zeit zur Muße. Zum Zurücklehnen. Zum Nachdenken, Träumen und … einfach Sein.

Nun werdet ihr einwenden: Aber ich habe mir doch schon einmal ein “Sabbatical” genommen. Oder: Ich fahre ja jedes Jahr in Ferien. Gegenfrage: Habt ihr in eurem Sabbatical denn auch die Zeit “totgeschlagen”? Waren die Ferien nicht nur eine bloße Abwechslung: anderer Ort und andere Luft?

Ich gebe zu: Auch ich, ja gerade ich, nehme mir nicht (oder zumindest viel zu selten) die Muße-Stunden, die ich ungeplant verbringe, in denen ich die Zeit Zeit sein lasse, in denen ich einfach mal bin. Doch es stimmt schon: Der Müssiggang gehört dazu. Selbst wenn … oder WEIL er Faulheit (!) erlaubt.


ENGLISH

We run and rush everywhere. We are full of power, we don’t want to miss a thing and we always want to be part of whatever is happening around us. We are addicted to speed… and (almost) don’t even sleep. But then, this book got on my way. The author, Hermann Hesse. The title, “The art laziness”.

But wait, does this mean we could live completely differently (in today’s world and time)? No running, no rushing? Without being constantly obsessed with having more and more? Is this book really suggesting us to kill time!?

Strange and yet very exciting because we’re supposed to have time. Me time. We should embrace it. We should stop and relax sometimes too. But why? And if so… HOW?

I remember though. It used to be there. Time, I mean. It’s been too long though – good times. Back then, people “had time”. People use to read books. But now the time has practically stood still. We, humans (and nature) are in a dormant state. Inconceivable. How can we bear it?

Interesting is also, the fact of how some words have completely disappeared from our current vocabulary. Tranquillity for example. We don’t just stop, stare and enjoy anymore. What happened to all those flâneurs? To people who contemplated. People who actually looked at other people and discovered stuff by simply walking the streets? We are too stressed to think about leisure. But can we simply carry on without these “old school customs”? Is our hamster wheel enough for us? Are we not putting our own race on extinction?

If you actually think about it, the word “leisure” goes back to the time when social leisure didn’t even exist. But then again, fast forward to 2018, it is society what is actually stealing our time today. We don’t have time to think. No time to DREAM and most importantly, we don’t have time to simply be.

Now you might say “but I took a year off already” or “but I go on holidays once a year”, but THINK. Didn’t you take some time off during your holidays too? Or during your year off? Holidays mean a change or a fresh start. Holidays are our way of rebooting our system. Different views, different faces, different air. But we still need some time to… just be us and discover ourselves.

But I have to confess though. I am the first one who takes no “leisure time”. In fact, my “me time” usually happens completely unplanned. It just happens and it is then when I can just “be”. Think, dream and go down a gear.

Too lazy to do so? Maybe… idleness is now part of this game.

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